realistisch Version Advent

Cy Twombly 2021
Nein, es ist kein Zitat. Ich habe mich geirrt. Doch zu Beginn dieser Adventszeit, wenn das Verhältnis von Dunkelheit und Licht noch sehr schief ist und dem von Trostlosigkeit und Zuversicht, das ich empfinde, oft sehr nahe kommt, finde ich den Satz dennoch erfrischend.
Er ritzt die nihilistische Kaltfront, die mir aus den Nachrichten entgegenschlägt.
Er schlitzt das das harte Firmament erschlagender Fakten auf und erfrecht sich, ein Dahinter zu glauben. 

Es gibt den Satz, der Ben Gurion zugeschrieben wird: ,Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.' 

Und es gibt die Fundamentalkritik von Max Frisch: ,Man ist nicht realistisch, wenn man keine Idee hat.'

Beide wehren sich gegen den Gedanken, dass Realismus zwingend pessimistisch sein muss. Im Normalverlauf wird alles nur schlimmer? Wer sagt denn sowas?

Und es gibt das schöne Gespräch zwischen Alice und der Königin aus Alice hinter den Spiegeln, der Fortsetzung von Alice im Wunderland, von Lewis Carroll:

 „Das kann ich nicht glauben!“ sagte Alice.
„Nein?“ sagte die Königin mitleidig. „Versuch es noch einmal: tief Luft holen, Augen zu ..."
Alice lachte. „Ich brauche es gar nicht zu versuchen", sagte sie. „Etwas Unmögliches kann man nicht glauben".
„Du wirst eben darin noch keine rechte Übung haben", sagte die Königin. „In deinem Alter hab ich
täglich eine halbe Stunde darauf verwendet. Zuzeiten habe ich vor dem Frühstück bereits bis zu sechs unmögliche Dinge geglaubt."

Mag sein, dass ich aus all dem mein vermeintliches Zitat gebastelt hab.
Mir hilft es jedenfalls in diesem Corona-Klima-Flüchtlings-Friedens-Krisen Winter, in dem, je nach Typ, die Stimmung sich irgendwo zwischen Aggression und Resignation verkeilt.
Und es enthält den Trotz, der zum Advent gehört - besonders, wenn er nicht gleich mit Konsum zum Schweigen gebracht wird. 

Ich sag es mir täglich ein paar Mal:

Nicht

zu hoffen

ist

auch nicht

realistisch.

(In der Bibel sagt das der Prophet Jesaja in seinen Worten so (9,1):
'Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein grosses Licht, und über denen, die das wohnen im finstern Lande, scheint es hell.')

Philipp Roth

philipp.roth@kgbb.ch
philipp.roth@erk-bs.ch

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