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Es werden Posts vom Februar, 2023 angezeigt.

resiliente Hoffnung

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Er liegt schon seit Wochen im Spital. Das linke Bein ist nur noch ein Stumpf, sie mussten den Fuss abnehmen. Seine Haut ist gerötet und wund. Er kratzt sich pausenlos. Seine Frau ist vor Jahren verstorben. Seine Kinder leben auf der anderen Seite der Welt.  ,Sie müssen entschuldigen,’ sagt er, als er mir sein Leben erzählt hat. ,Ich weiss, sie sind reformiert. Und ich bin es auch. Doch meine Frau war katholisch. Wir sind zusammen zur Messe gegangen. Nun gehe ich weiterhin allein dorthin.’ Dafür müsse er sich doch nicht entschuldigen, sage ich. Es sei schön, dass er gehe. ,Es tut mir immer gut,’ sagt er.  ,Und…’, er denkt nach, ,sie müssen entschuldigen - ich weiss nicht mal, ob ich das sagen darf - : Dabei weiss ich eigentlich gar nicht, ob ich überhaupt glaube. Wenn ich diese Welt anschaue, die Bäume, die Berge, die Vögel, die Galaxien, Millionen, Milliarden von Jahren, die Menschen, die Kriege: Was soll da sowas wie ,Gott’? Wo soll er da sein? Und wer?’ ,Und trotzdem gehen sie in den

fake life

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Fake it, 'til you make it.  Was einst die Masche einzelner Selfmade-Men und Hochstaplerinnen war, scheint im Zeitalter, in dem jeder Mensch sein eigenes Medienhaus ist, zur beliebten Kommunikationsstrategie geworden zu sein. Man muss eine Lüge nur oft und lange genug widerholen, dann setzt sie sich durch. Da können Whistleblowers wie die Spatzen was anderes von den Dächern pfeifen. Sie werden übertönt oder zum Verstummen gebracht. So richtig unwiderstehlich aber wird die Lüge, wenn man sie selbst glaubt.  ,Tut er nur so oder glaubt er selbst daran?' Ich erinnere an die unzähligen Diskussionen beim letzten amerikanischen Präsidenten. Man fragte sich bei seinen Twittergewittern und endlosen Salven 'alternativer Wahrheit', ob er so intelligent sei, dass er damit eine Strategie verfolge, oder so dumm, dass er selbst zwischen Wirklichkeit und Wahn nicht unterscheiden könne. Ein Restanstand oder - unglauben verhinderte es auf unserer Seite meist, ganz auf das Letztere zu setz

wenn die Erde bebt, bebt noch viel mehr

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Man sieht nur die Trümmerhaufen und die Menschentrauben. Die Kälte sieht man nicht. Auch nicht den Hunger, die Verzweiflung, die Ohnmacht, das Weinen, Wimmern, Wahnsinnigwerden. Und die vielen Toten. Ausgerechnet die Gebiete, die in den letzten Jahren bereits durch das menschengemachte Böse terrorisiert wurden - Verfolgung, Bürgerkrieg, Korruption, Zusammenbruch der Lebensversorgung -, werden nun auch noch vom nicht menschengemachten Bösen heimgesucht. Das Erdbeben in Syrien und der Türkei erschüttert nicht nur die Gebäude der Städte und Dörfer, sondern auch die Denk- und Glaubensgebäude bis ins eigene Herz. Erdbeben sind Existenzbeben. Unmöglich, darin eine Logik zu erkennen. Erst recht eine Theo-logik. Ist also alles - Welt, Geschichte, Leben - einfach absurd? An Allerheiligen 1755, am 1. November, zerstörten ein Erdbeben der Stärke 8,5 - 9 und ein Tsunami Lissabon fast vollständig. 30'000 bis 100'000 Menschen starben. Rund 85% der Gebäude, auch Paläste und praktisch alle Ki

sondern eine neue haut

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Ich bin kein grosser Beter. In meinem Glauben an Gott ist der Glaube daran, ihn mit meinem Gebet manipulieren zu können, nicht enthalten. Ich stelle mir nicht vor, dass er für seine Verbundenheit mit dem Leben auf meine Hinweise angewiesen ist. Im Spital versuche ich den Impuls zu unterdrücken, für die Heilung zu beten, sondern danke für die vielen Möglichkeiten der Medizin bei uns und bitte um Vertrauen, in allem gehalten zu sein. Mein Gebet arbeitet nicht an Gott. In ihm arbeitet, wenn schon, Gott an mir. Ist das Gebet der Atem des Glaubens, dann atme ich meist ziemlich flach. Die Vorstellung, dass das Gebet die Sprache meines Herzens ist, lässt mich erröten. Die Sprache meines Herzens enthält immer noch die Spuren vom Quengeln des Kindes, das ich mal war, von den Gefühlsstürmen des Halbwüchsigen und von den wirklichkeitsfremden Überzeugungen des Erwachsenwerdenden. Man kommt der Wahrheit nicht näher, wenn man auch noch das Mikrophon daran hält.  Wenn ich bete, suche ich nicht die Be