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Es werden Posts vom März, 2023 angezeigt.

ein rauschender Zweig

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Der Tag war lang. Die Kleine ist im Hauseingang am Fuss der Treppe gestrandet und am Ende. 'Ich mag nicht mehr laufen', quengelt sie, während die Tränen sich beeilen, in Rekordzeit die Strecke vom Augen- zum Schnullerrand zu bewältigen. ,Kein Problem,' sag ich. ,Ich bring dir das Bett runter.' ,Nein, sicher nicht!' mümmelt sie durch den Schnuller und ihre Augen lachen durch den Tränenvorhang. Gut, dass sich das Leben nicht so leicht unterkriegen lässt. Gut, dass sich die Freude nicht für immer unterkriegen lässt. ,Wir haben uns entschieden, dass wir in diese Welt kein Kind mehr stellen können,' habe ich in den letzten Monaten gleich mehrmals von jungen Paaren gehört. Doch wie auch immer Welt und Winter aussehen: Der Frühling tritt den Beweis an, dass Leben immer besser als Nicht-Leben ist. Und das Leben immer auch Freude bedeutet. Über die in den Himmel schiessenden Narzissen wird man sich auch in Bachmut freuen. Und über die Störche, die auf dem Feld landen, in

wer willst du sein?

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Als Dennis vanEngelsdorp seinen 10 Jahre älteren Partner H.G.Carillo 2015 heiratete, war das das Glück perfekt. Sein Mann war ein erfolgreicher Schriftsteller - er wurde manchmal der 'Latino Proust' genannt - und ein attraktiver und weltgewandter Liebhaber schöner Dinge. Er war im Alter von 7 Jahren mit seiner Familie aus Kuba geflohen und hatte die Nachteile seiner Herkunft in den USA mit Erfolg in eine Auszeichnung verwandelt. Sein Roman 'Loosing my Espanisch' (2004) war kein Verkaufsschlager, aber wurde von den grössten Zeitungen als spannende Migrationsliteratur gelobt - und Grund, weshalb er ausgezeichnet wurde und an der Universität einen Lehrstuhl für Literatur bekam. Im Wohnzimmer hing ein Bild eines jungen, kubanischen Mannes, den er als ,älteren Bruder, der Selbstmord beging' vorstellte. Als Dennis vanEngelsdorp 2020 seinen Partner H.G. Carillo an Prostatakrebs verlor, kam er erstmals selbst in Kontakt mit dessen Geschwister, die er bisher erst von der Wid

Multiversum

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Eine Welt ist nicht genug. Der Film Everything everywhere all at once hat letzte Nacht in Los Angeles gleich sieben Oscars abgeholt. Die stets am Rand eines Nervenzusammenbruchs lebende Einwanderin Evelyn Wang rettet nicht nur ihren Waschsalon, sondern in parallelen Wirklichkeiten gleich mehrere Welten.  Sympathisch: Damit hat die kreative Kleinproduktion die seit Jahren rollende Multiversumswelle der gigantischen Superheldenfilme mit ihren eigenen Waffen geschlagen.  Bedenklich: Der Titel benennt wohl mehr als eine Kinogeschichte. Jedenfalls werde ich den Verdacht nicht los: So wie das Feuerwerk von der Vergänglichkeitsmelancholie der Silvesternacht ablenkt, so die sprühende Multiversumsfantasie von der Resignation gegenüber der einen realen Welt. Unser Weltverzehr ist zuviel für einen einzigen Planeten. Ein Multiversum als Spielwiese wäre die Rettung. (Elon Musk macht mal einen Anfang mit dem Mars.) Sagte der James Bond an der Jahrtausendgrenze noch The World Is Not Enough , so sagt