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Es werden Posts vom September, 2021 angezeigt.

Rache ist süss

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Bald Herbstferien. Aus dem Alltag aussteigen. Sich anderswo erholen. Ich habe gestern was gebucht. Zu den Gründen zu verreisen – Entdecken, Entspannen, Erleben, Erholen – ist kürzlich ein neuer gekommen: Rache. Revenge Travel (RacheReise) nennt sich in der Branche der Nachholeffekt nach Corona. Was lange stillhielt, schlägt nun zurück. Mit der Wucht vom Frust der letzten Monate. Ist Günstigvielreisen nicht ein Grundrecht des Konsummenschen? Es erschreckt mich nicht so sehr, dass es mit gewissen Nachhaltigkeitseffekten von Corona bald vorbei sein wird. Daran glaubte ich nie recht. Es erschreckt mich mehr, wie eine blinde und gewalttätige Sache (Rache) positiv besetzt wird. Erinnerungen an die ‘Geiz ist geil’-Kampagne werden wach: Der Appell an das Tier in mir - unter der kultivierten Haut. Und dann frage ich mich: Wem gilt diese Rache eigentlich? Der Natur? Gehört der Mensch da nicht dazu? Das gekränkte Kind schlägt trotzig um sich. Und verletzt sich selbst. Ich habe e

INKLUSION und KONSEQUENZ

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Sch ön: Am Bettag feierten wir zum ersten Mal seit Ausbruch von Corona einen Gottesdienst wie vorher, ohne Maske und Abstand. Unschön: Wer kein Zertifikat vorweisen konnte, durfte nicht hinein. Hüben jubelte man Fortschritt. Drüben klagte man Verrat. Und mir ging das Gleichnis vom Gastmahl (Lukas 14, 16 - 24) durch den Sinn. Als Inklusionsgeschichte von vielen geliebt ( Bring die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Gelähmten hierher! V. 22) , siehtt man über ihre Ausgrenzungsseite gerne hinweg. Es beginnt grosszügig: ,Ein Mann veranstaltete ein Festessen und lud viele Gäste ein.’ Und endet bitter - der Gastgeber ärgert sich über die, die sich entschuldigen.: ,Keiner der Gäste, die zuerst eingeladen waren, wird an meinem Festessen teilnehmen.’ Und als wäre das nicht schon Ausschluss genug, setzt Matthäus in seiner Version (22, 1-10) noch einen drauf: Der Gastgeber (hier ein König) kommt in den Festsaal und entdeckt einen Gast ohne gültigen Ausweis (hier ein festliches Kleid). Er flie

Diagnose

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Das Kompetenzzentrum Krebs ist neu und sein Ruf makellos. Was der Arzt soeben eröffnet hat, wäre vor einer Generation wohl das Todesurteil gewesen. Er: Schon schwer. Doch fühle ich mich in allerbesten Händen. Ich bin ja nicht mehr jung. Aber noch ein paar Jahre wären schon schön.   Sie: Das war nicht der Anfang von Ende. Man kann es in den Griff kriegen. Aber du musst damit leben. Der Arzt, dein Begleiter.   Er: Und vielleicht gibt Gott dann ja noch ein kleines Wunder dazu.   Sie: Ich sehe dieses Kompetenzzentrum und denke an den Arzt.   Ich finde, da ist schon sehr viel Gott und sehr viel Wunder. Philipp Roth philipp.roth@kgbb.ch philipp.roth@erk-bs.ch

Das Internet vergisst nie

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Bei Woody Allens Everything You Always Wanted to Know About Sex * But Were Afraid to Ask (1972) kann ich immer noch herzlich lachen. Missbrauchsvorwürfe hin oder her. Onkel Tom’s Hütte fesselt mich, obwohl Harriet Beecher Stowe die Sklaverei gutmeinend, aber rührselig von oben herab beschreibt. (In den USA spricht man vom Onkel-Tom-Syndrom). Dass einer als Kanzler kandidiert, der in der Jugend lange Haare hatte und zum Umsturz des Kapitalismus aufrief, finde ich völlig unproblematisch. Und die Mona Lisa hat durch die Erkenntnis, dass Leonardo da Vinci in einen Sodomie-Prozess verwickelt war, nichts von ihrem Zauber verloren. Leben wir in einer Gesellschaft, die immer unerbittlicher wird? Ein Internet, das nie vergisst, funktioniert gut. Eine Gesellschaft, die nie vergisst (besser: vergibt), funktioniert nicht gut. Bei meiner Lektüre bleibe an folgender Passage hängen : Was ist an der Gegenwart, dass sie so leicht über die Vergangenheit urteilt? Was berechtigt uns dazu? Wir