Dschungelflaschenpost

Sie sind Schwestern und Brüder. Viel gemeinsame Geschichte. Und seit Jahrzehnten zerstritten.
Die Last ist beidseits mit Händen zu greifen.
Die eine Seite spricht den Wunsch nach Versöhnung aus.
Die andere versteht ihn als Angriff: Ist nicht meine Schuld.

Richtig körperlich ist zu spüren, was Bitterkeit anrichtet.
Und was Versöhnung für eine Erlösung wäre.
Ein Boost an Lebensqualität.

Und andererseits, wie sehr sie beide Seiten braucht.
Ziellos kehrt sie als Ohnmacht zurück
mit einer breiten Spur Verzweiflung darin.

Noch selten hab ich so verstanden,
was auch für andere zentrale Lebensdinge
wie die Liebe
oder die Nachsicht gilt:
dass man Versöhnung nicht einfordern kann.
Nur darum bitten, sie anbieten.

Man muss sich zurücknehmen bis zum Schmerzpunkt.
Den eigenen Stolz schlucken.
Die zurechtgelegte Geschichte zurückstellen.
Die wundgescheuerten Triggerpunkte ignorieren.
Geduld. Demut.
Nicht müde werden.

Paulus verstand seine Lebensaufgabe und -haltung als eine grosse Bitte um Versöhnung:

Gott selbst lädt die Menschen durch uns ein.
So bitten wir im Auftrag von Christus:

Lasst euch mit Gott versöhnen! (1. Korinther 5, 2)

Ich stosse auf dieses Bild von einer Demobilisierungskampagne in Bolivien. Bei einem Projekt, das Christmas Operations hiess, schrieben Familie und Freunde Nachrichten an Rebellen, die sich seit Jahren im Dschungel verschanzt hatten. Die Zettel wurden in wasserdichte Kapseln den Flüssen übergeben, die durch den Dschungel zum Meer flossen. Versöhnungsflaschenpost.

Was schrieben sie? Kamen die Botschaften an? Trafen sie auf offene Herzen?

Sehnsuchtsvolle Post, geboren aus einer grossen Traurigkeit.
Bittstellerin Versöhnung. Auf dem Weg zum Meer ,Frieden'?

Philipp Roth

philipp.roth@kgbb.ch
philipp.roth@erk-bs.ch



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