Kuscheln

Er heisst Trevor James. Er verlangt 90 $ in der Stunde und eine Mindestbuchung von zwei Stunden. Es werden acht verschiedene Positionen angeboten. Manchmal ist er bis 10 Stunden am Tag im Einsatz. Im Hintergrund spielt Jazz oder Klassik.

,Menschen kommen zu mir, weil sie keine Berührungen mehr erleben,' sagt Trevor. Er hat die Not zum Beruf gemacht. Trevor ist professioneller ,Cuddler'. In Kalifornien gibt es siebzehn solcher ,Kuschler'. In anderen Staaten der USA einen oder keinen. In England gibt es auch welche. Gibt es sie auch bei uns?

Zur Unterscheidung von der Sexarbeit bezeichnet sich James gerne als 'ethischen Berührungstherapeuten'.
Er stammt aus Ghana. ,In gewisser Hinsicht ist es traurig, dass Menschen sich für sowas an Fremde wenden müssen,' meint er zu seiner Tätigkeit. ,Zuhause in Ghana berühren wir einander viel.'  Er sieht es als Ehre an, sowas tun zu dürfen. Zu seiner Stammkundschaft zählt ein 85-Jähriger, der mehrmals in der Woche kommt. Und ein verheirateter Mann, der jeweils am Abend für eine Stunde erscheint. 

Er sagt: ,Wir sind im Berührungsnotstand. Hauthunger ist zu einer Epidemie geworden.'
Wenn ein neuer Kunde vor der Tür steht, fragt er zuerst: ,Darf ich sie in den Arm nehmen?'
Dann setzen sie sich auf einem Sofa gegenüber und lernen sich beim Gespräch kennen.
Es folgen Atemübungen und Übungen des gegenseitigen Anblickens.
Schliesslich begeben sie sich in die vorbesprochene Position: Beieinanderliegen auf dem Sofa. Umarmung vor dem Spiegel.

,Es ist sehr befriedigend,' sagt Trevor. ,Und es braucht viel Intuition. Die Menschen weinen oft.'

Philipp Roth

philipp.roth@kgbb.ch
philipp.roth@erk-bs.ch





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