Gebrauchsanweisung nachösterlich

Es geht mir in diesem Jahr näher.
Vielleicht, weil ich an all diesen Sonntagen irgendwo Gottesdienst halte und näher dran bin.
Vielleicht auch, weil mich die allgemeine Weltsorge besonders empfänglich dafür macht.

Das Kirchenjahr setzt in die 50 Tage zwischen Ostern und Pfingsten drei Sonntage mit Ausrufezeichen. Jubilate! Kantate! Und morgen: Rogate!
Dreimal Imperativform im Plural.
Jubelt! Singt! Betet! 

,Das lässt sich doch nicht befehlen,' sagt der Stimmungsmensch in mir.
,Du weisst aber, dass man auch in Stimmung kommen kann,' entgegnet der Haltungsmensch in mir.

Ich weiss inzwischen ein paar Dinge, die mir gut tun, und setze mich bewusst ihnen aus.
Ausfliegen. Musik spielen. Freunde einladen. Brot backen.
Manchmal entscheide ich mich gegen meine Stimmung bewusst dafür - und finde sie dann erst.

So kommen mir die drei Sonntage in diesem Jahr entgegen. Und ich lasse mich gerne darauf ein.
Ich sammle meine Gründe zum Jubeln und werde fröhlich.
Ich entdecke, wie das Singen das oft Unsagbare - in Glück und Unglück - fasst und hinausträgt.
Und ich entlaste die Stossseufzer, Alltagsbeobachtungen, Welträtsel und Lebensgeheimnisse ins Beten hinein.
Mein Leben wird offener Dialog.

Vielleicht sind die drei Sonntage eine Art Gebrauchsanweisung für die Osterfreude im Alltag.
Die Imperative empfehlen mir mit sanftem Nachdruck, es mal konkret damit zu versuchen.
Und ich lasse mich gegenwärtig gerne darauf ein, manchmal bewusst kontraintuitiv. Evangelische Psychohygiene im Osterlicht zeitigt spürbar Stimmungsaufhellung.

Ja, und auch darin haben die Sonntage recht: Im Plural tut's noch deutlich besser!

Praying

It doesn’t have to be
the blue iris, it could be
weeds in a vacant lot, or a few
small stones; just
pay attention, then patch

a few words together and don’t try
to make them elaborate, this isn’t
a contest but the doorway

into thanks, and a silence in which
another voice may speak.

Mary Oliver, 1935-2019

Beten

Es muss nicht unbedingt
die Schwertlilie sein, es kann
Unkraut auf einer Brachfläche sein, oder ein paar
kleine Steine; einfach
aufmerksam sein, dann ein paar

Worte zusammen stellen - und versuch nicht
sie auszuarbeiten, das ist kein
Wettbewerb, sondern der Eingang

in den Dank und in eine Stille, in der
eine andere Stimme sprechen kann.

(Übersetzung pr)

Philipp Roth

philipp.roth@kgbb.ch
philipp.roth@erk-bs.ch

 


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