Feld eins

Schon wieder werfen die Ereignisse zurück auf Feld eins. Man schaut in den Nahen Osten und ist fassunglos. Man findet kaum Worte für das, was geschehen ist und den Sturm, der nun tobt, und immer weitere Kreise zieht. Inzwischen hat die Israelische Armee Gaza-Stadt eingeschnürt. Die Hamas Kämpfer - schon am ersten Tag zu Tieren erklärt - werden wie Ratten gejagt. Tausende Tote, tausende tote Kinder, tausende Bomben und Raketen, tausende Tränen und Flüche, Demonstrationen, Hassausbrüche, hüben und drüben. War da mal noch eine Hoffnung auf bessere Verhältnisse, friedliche Lösung, vernünftige Politik? Jetzt nicht mehr. Zurück auf Feld eins. Wie schon im Februar 2022, als Russland die Ukraine überfiel.


Die Geschichte, die in der Bibel auf Feld eins steht, drängt sich auf mit Wucht. Kain erschlägt seinen Bruder Abel. Beide buhlen um die Gunst Gottes (um die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit) und vergessen, dass sie Brüder sind. Eine Täter-Opfer-Geschichte, die auf den ersten Blick ganz einfach ist. Und mit jedem weiteren Blick immer komplexer wird. Zurück bleibt ein Geächteter ohne Heimat, der sich allein auf den Schutz des Himmels verlassen kann (Genesis 4, 1-6).

Zeitlebens befasse ich mich schon mit der Bibel. Ich kann nicht behaupten, dass die Faszination ungebrochen ist. Manches rückt mir ferner. Doch manchmal ist sie einfach atemberaubend prophetisch. Gerade dann, wenn sie sich nichts vormacht und gnadenlos realistisch ist. Realistisch über den Menschen. (Der gnadenvolle ,Realismus' Gottes ergibt sich auch daraus.) Und das ist sie bereits auf Feld eins.

Es tut weh, sich nichts mehr vormachen zu können. Während die Weltöffentlichkeit meint, fahnenschwingend Partei ergreifen zu müssen (und zu können), bin ich vor allem erschüttert und ratlos. 

Wenn man sich auf dem Feld eins der Bibel umschaut, sieht man weiter. Man sieht die Geschichte der Schöpfung (Genesis 1-2) und die Geschichte der Arche (Genesis 6-9). Zwei Gegennarrative, die den Menschen Kräften ausliefern, die nicht in seinen Händen liegen. Und das zu seinem Glück. Ich geniesse diesen Herbst fast blattenweise. Ich weiss, es ist auch eine Flucht. Ich weiss, es ist nicht nur Flucht. Um mich die Schöpfung. Wie gut. Und deshalb ist es vielleicht doch nicht ganz ausgeschlossen, dass da noch mehr ist, gnadenvoll.

Philipp Roth  

philipp.roth@kgbb.ch
philipp.roth@erk-bs.ch


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