bitte nicht stören

Vor einer guten Woche hielt ich meine erste Radiopredigt. Ich wollte etwas über die Erschütterung sagen, die mich ergreift, wenn Schreckliches geschieht. Manche Nachrichten donnern in die eigene Beschaulichkeit wie ein Güterzug ins Cabrio auf dem offenen Bahnübergang. Und ich wollte etwas dazu sagen, wie gut es ist, dann einen Ort zu haben, wo man ,nach oben ausfliessen kann'. 

In diesem Zusammenhang war mir oft das Bild des Malers Caspar David Friedrich 'Der Wanderer über dem Nebemeer' vor Augen. Jemand stützt sich auf einer Felsspitze auf seinen Stock und betrachtet das tosende Wetter weit unten, als stehe er darüber und es beträfe ihn nicht. Doch wer es betrachtet, weiss: Er kommt daher und wird wieder dahin zurück gehen müssen. Einen Hochsitz über den Dingen gibt es nicht, lediglich flüchtige Inseln.

Der Maler feiert in diesem Jahr seinen 250. Geburtstag.
In einer aktuellen Biografie stiess ich dabei auf folgende Notiz:

Friedrich war ein geselliger Mensch. In seinem Haus und Atelier war ein Kommen und Gehen. Doch als mal ein Gast an der Tür läutete, öffnete seine Frau und sagte: 

«Jetzt malt er gerade die Luft.
Man darf ihn nicht stören, denn wissen Sie,
Himmelmalen ist für ihn
wie Gottesdienst.»

Philipp Roth   

philipp.roth@kgbb.ch
philipp.roth@erk-bs.ch

Radiopredigt
Florian Illies, Zauber der Stille, S. Fischer 2023

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