Predigen III: Fische

,Unsere Zeit ist durch das hohle Wissen ihrer Leser und Zuhörer so weit gekommen, dass sie des Lesens überdrüssig wird und nur ungern zuhört, wenn sie nicht gewählte, wohlüberlegte und modern klingende Worte liest oder hört.'  

Vom Heiligen Antonius von Padua (ca 1195 - 1231) hat nur weniges die Zeit überdauert. Darunter sind Notizen zu Predigten, aus denen der Eingangssatz stammt. Konnte solches schon vor 800 Jahren gesagt werden, scheint es doch weniger an der Zeit zu liegen als am Menschen schlechthin, wenn ungern zugehört wird. Oder eben an den Predigenden. 

Antonius' Markenzeichen war, dass es bei ihm etwas zu sehen gab, wenn man ihm zuhörte.  Er zog anschauliche Vergleiche und benutzte viele Bilder aus der Natur und dem Alltag der Menschen, wenn er über den Glauben und die Texte der Bibel sprach. 

Dazu passt die Legende, die ihn berühmt gemacht hat. Predigte Franz von Assisi zu den Vögeln, kamen bei ihm die Fische zum Ehre. Frustriert über die leere Kirche, ging Antonius mit seiner Predigt an den Strand bei Rimini und sprach zu den Fischen. Stummer und stiller als eine abwesende Gemeinde konnten sie auch nicht sein. Zu seinem Entzücken brachte seine Predigt die Fische zum Tanzen. Das entsprechende Volkslied aus ,Des Knaben Wunderhorn' hat Gustav Mahler vertont. 

Antonius zur Predigt
Die Kirche find’t ledig!
Er geht zu den Flüssen
und predigt den Fischen!
Sie schlag’n mit den Schwänzen!
Im Sonnenschein glänzen!
Im Sonnenschein, Sonnenschein glänzen,
sie glänzen, sie glänzen, glänzen!

Die Karpfen mit Rogen
seynd all’ hierher zogen,
hab’n d’Mäuler aufrissen,
sich Zuhörn’s beflissen!
Kein Predigt niemalen
den Fischen so g’fallen!

...

Als einer, der selber gerne predigt, bin ich versucht, die Legende als Geschichte über die Kraft der Worte zu lesen. Ich verstehe auch Antonius' Verlangen, das, was in den letzten Tagen in seinem Innern entstanden ist, nach aussen zu tragen, wenn nicht zu Menschen, dann halt zu Fischen.

Doch nimmt die Geschichte gleichzeitig auch alle Illusionen über die Belehrbarkeit der Zuhörenden. Das Bild der Fische schweigt Bände. Die Natur ist für Ansprüche, die was anderes aus ihr machen wollen, nicht empfänglich. Fisch bleibt Fisch und Mensch bleibt Mensch. Im besten Fall beginnen sie zu tanzen. Dass sie sich bekehren und fortan andere sind, ist nicht zu erwarten. 

Das Lied endet dann auch entsprechend.

Die Predigt geendet,
ein Jeder sich wendet.
Die Hechte bleiben Diebe,
die Aale viel lieben;
die Predigt hat g’fallen.
sie bleiben wie allen!

Die Krebs’ geh’n zurücke,
die Stockfisch’ bleib’n dicke,
die Karpfen viel fressen,
die Predigt vergessen, vergessen!
Die Predigt hat g’fallen
sie bleiben wie Allen, die Predigt hat g’fallen, hat g’fallen! 

Das Lied erheitert. Die Geschichte ernüchtert.
Früher gingen Menschen ,zur Predigt'. Dass tun heute nur noch wenige. Und was an ihnen arbeitet, ist wohl weniger die Predigt an sich als die Übung, sich regelmässig in die Kirche, in die Gemeinschaft und ins Besinnen vor Gott zu begeben. 

Im Gottesdienst erlebe ich für eine Stunde andere Welt. Es wird eine Gegenkultur gepflegt. Ich glaube, dass das etwas mit den Menschen macht, je jünger desto mehr. Ich erlebe es an mir selbst. Und die Predigt ist Teil davon und gestaltet diesen Metaraum mit. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

Philipp Roth

philipp.roth@kgbb.ch
philipp.roth@erk-bs.ch

Gustav Mahler Die Fischpredigt aus des Knaben Wunderhorn Thomas Hampson Shanghai Symphony Orchestra

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