Gartenseligkeit

Die Hitze hat die Tage im Griff. Sonnenschutz und Schatten werden zu Geboten des Stunde. Auch ohne grünen Daumen versteht man die immense Bedeutung von Bäumen und Wasser intuitiv.

Ich verfolge, wie der Hausbesitzer jeden Abend durch den Garten geht, das Grün mustert und den Rasensprenger unter die Bäume stellt. Man sieht ihren Blättern den Durst an. Der im Frühjahr frisch gepflanzte Apfelbaum braucht besondere Aufmerksamkeit. Wenn der Hausbesitzer nicht auftaucht, schlüpfen wir in seine Rolle. Ein Glück, so nah am Wasser zu wohnen. Vielleicht sind wir im Herzen doch alle Gärtnerinnen und Gärtner?

Ich begleite eine Familie beim Abschied von ihrem Vater. Er wuchs auf einem Bauernhof auf und wollte nichts anderes, als selbst Bauer werden. Eine schwere Krankheit in der Jugend versehrte seinen Körper so, dass er nur noch Büroarbeit verrichten konnte. Doch im Ruhestand kannte er nichts Schöneres, als einen grossen Garten anzulegen. Auch seine Schmerzen hielten ihn nicht davon ab. Die Freude des Pflanzens, des Wachsens und des Erntens erfüllten ihn. Blumen, Gemüse, Rosen, Bäume. Sein kleines Paradies.

Beim Gang über den Friedhof fallen mir die Rasensprenger und die Brunnen auf. Überall stehen Giesskannen. Die Gräberfelder sind im Schatten grosser Bäume angelegt. Die Steine begrenzen kleine Beete mit Blumen und Sträuchern. Noch nie war mir so bewusst, dass der Friedhof ein grosser Garten ist. ,Gottsacker' nennen ihn die Älteren noch. Der Bestatter ist ein Friedhofgärtner. Wir legen unsere Toten in die Erde wie Setzlinge. Die Urne im offenen Grab erinnert mich an eine Tulpenzwiebel. Eine Bildsprache mit tiefer Symbolik. Die Weisheit der Natur kennt Werden und Vergehen. Wir Vergängliche sehen manchmal nur das Eine. Hier das Vergehen. Doch wer mit seinem Grosskind einen noch winzigen Baum pflanzt, sagt zu ihm: ,Diese Früchte sind dann mal für dich.'

Es geht mir durch den Kopf, wie Jesus dieses Bild für seinen eigenen Tod gebraucht hat: Wenn das Weizenkorn nicht stirbt, bleibt es allein. Doch wenn es stirbt... (Johannes 12, 14). Und Paulus darauf eine wunderbare Hoffnungsarie gedichtet hat (1. Korinther 15, 42-44)

Vor allem aber berührt mich nun der alte Mythos im (2.) Schöpfungsbericht neu, der erzählt, wie Gott gleichzeitig einen Garten anlegte und den Menschen schuf. Pflanzen und Menschen sind aus dem gleichen Stoff gemacht: hebr. adamah. Was dem Menschen auch seinen ersten Namen gab: adam. Zuallererst lernt der Mensch den Schöpfer als Gärtner kennen. Und erhält mit der Gabe die Aufgabe, es ihm gleichzutun: Die Erde zu bebauen/bearbeiten und zu bewahren. Gärtnerin, Gärtner zu sein, ist des Menschen erster Beruf, erste Berufung.

Gestern meldeten die Nachrichten Überschwemmungen in Katar (!). An die Waldbrände im Süden haben wir uns schon bald gewöhnt. Am Ende werden wir bei uns wieder in die Erde gelegt. Doch haben wir uns von der Ursprungsberufung schon soweit entfremdet, dass sich die Erde gegen uns wendet?

Die Hitze der Tage hat uns im Griff. Glücklich, wer einen Baum im Garten hat, unter den sie/er sich setzen kann. Und Wasser, das sie/ihn und alles, was wächst, erfrischt.
Glücklich, wer die Verbundeheit mit der Erde nicht verloren hat, und eine Gärtnerseele hat.

Zu der Zeit, als Gott der Herr Erde und Himmel machte, wuchs noch nichts auf der Erde.
Es gab keine Sträucher auf dem Feld und auch sonst keine Pflanzen.
Denn Gott der Herr hatte noch keinen Regen auf die Erde fallen lassen.
Es gab auch keinen Menschen,
der den Erdboden bearbeitete.
Wasser stieg aus der Erde auf
und tränkte den ganzen Erdboden. 

Da formte Gott der Herr den Menschen aus Staub vom Erdboden.
Er blies ihm den Lebensatem
in die Nase,

und so wurde der Mensch ein lebendiges Wesen.

Dann legte Gott der Herr einen Garten an – im Osten, in der Landschaft Eden.
Dorthin brachte er den Menschen, den er geformt hatte.
Gott der Herr ließ aus dem Erdboden alle Arten von Bäumen emporwachsen.
Sie sahen verlockend aus, und ihre Früchte schmeckten gut. (...)

Gott der Herr nahm den Menschen und brachte ihn in den Garten Eden.
Er sollte ihn bearbeiten und bewahren. 

Genesis 2, 4b-9.15

Philipp Roth

philipp.roth@kgbb.ch
philipp.roth@erk-bs.ch

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

sich selbst zum Narren machen

das echte Schneewittchen

Abschaffung des Glaubens