Bauernkrieg

Der Bauernkrieg vor genau 500 Jahren nahm am Rhein seinen Anfang. Und zog von da nur für einen Sommer nach Norden über die deutschen Lande. In diesen rund 3 Monaten starben nach Schätzungen rund 70'000 - 100'000 Menschen, zuallermeist einfache Leute. Am Ende war es mehr Rachefeldzug als Kampf auf Augenhöhe. Die Herren zeigten den Untertanen den Meister - den ,Meister aus Deutschland' (Paul Celan).

Waldshut wurde zu einem der ersten Zentren des Bauernaufstands. Im kleinen Städchen am Rhein befeuerte Balthasar Hubmeier die Bauernhaufen mit einem evangelischen Feuer, das Luthers 'Freiheit eines Christenmenschen' politischer nahm, als dem auf Fürstenschutz angewiesenen Augustinermönch lieb war. Die Nähe Zürichs liess Funken aus der dortigen Reformation überspringen. Man weigerte sich, den Zehnten und Zölle zu zahlen und Frondienst zu leisten. Bilder wurden gestürmt. Viele liessen sich zum Zeichen einer echten Umkehr nochmals taufen. Die Unterscheidungen, die spätere Geschichtsschreibung über die Zeit legte - Bauernkrieg, Deutsche bzw Schweizer Reformation, (Wieder)täufer - griffen noch nicht. Solange das Feuer brennt, kann man die Flammen nicht auseinander dividieren. Erst nachdem sich Luther und dann auch Zwingli auf die Seite der Obrigkeit geschlagen hatten, wurden die Baurernhaufen zu Outlaws und Hubmeier zu einem ersten Märtyrer der Täuferbewegung.

Der Bauernkrieg geriet später in die Mühlen der Konfessionsstreitigkeiten und im 20. Jahrhundert des kalten Krieges. Für die katholische Kirche zeigte das Bauerndebakel, wohin die Reformation führt. Für den Marxismus war der Bauernkrieg ein erster, noch nicht erfolgreicher Klassenkampf - Revolution avant la lettre.
In meinem Studium lernte ich, dass Luther scharf gegen die 'Rotten der Bauern' hetzte und sein einstiger Schüler Thomas Müntzer theologisch komplett auf dem Holzweg war. Die evangelische Orthodoxie hatte ihrer eigenen Herkunft die verschiedenen Schattierungen tüchtig ausgetrieben. Wie sehr die Bauern jedoch gerade vom reformatorischen Geist der Freiheit und der Brüderlichkeit beflügelt waren und dem Wort von oben zutrauten, hier unten gerechtere Verhältnisse zu schaffen, wurde nicht erwähnt. Sie empfanden sich als Teil einer prophetischen Bewegung. Für die Sieger der Geschichte waren sie nur noch falsche Propheten und dumpfe Rotten.

Fünfhundert Jahre hat sich Pulverdampf etwas verzogen. Man kann differenzierter zurückschauen. Man kann wieder erkennen, dass die Reformation eine viel breitere Bewegung war, als die Männerheldenstory Luther-Zwingli-Calvin weismacht. Das stets ländliche Täufertum zeigt sich als Kind des damaligen Bauerntums, das durch den neuen Glauben Mut fasste, ein eigener Mensch zu sein und die Ketten der Leibeigenschaft und der Untertanenseins abzutreifen. Und die Religion zeigt sich untrennbar mit der gesellschaftlichen und ökonomischen Realität verbunden: Menschen tun, was sie glauben, und handeln, wie sie hoffen. 

Vielleicht begann zu dieser Zeit die Entwicklung, die zur Verinnerlichung und Privatisierung des Glaubens führte: Luther brauchte Augustins Lehre von den ,Zwei Reichen', um seine harsche Parteinahme für die Obrigkeit und hetze gegen die Bauern zu begründen. Im Reich der Welt gelten andere Gesetze als im Reich Gottes. Im Reich der Welt muss man dem Fürst gehorchen, auch wenn er ein Tyrann ist. Sauberer kann man Wirklichkeit nicht spalten.  (Ein ehrlicher Luther hätte auch einfach sagen können: ,Sorry, guys, ich bin auf den Schutz meines Fürsten angewiesen, sonst habe ich die katholische Inquisition am Hals. Ihr versteht...' Das theologische Deckmäntelchen war der evangelischen Kirche noch 400 Jahre später ein rotes Tuch, um das man balgte, wären das braune Tuch über das ganze Land gezogen wurde.)

Einen weiteren, sehr aktuellen Bezug zwischen damals und heute stellt die britische Historikerin Lyndal Roper in ihrem aktuellen Buch 'Für die Freheit: Der Bauernkrieg 1525 (Fischer, Frankfurt 2024) her. Im Kampf der Bauern sieht sie auch ein ökologische Aufbegehren: Im Aufstand gegen die Fürsten geht es den Bauern um einen fairen und nachhaltigen Umgang mit dern Ressourcen der Schöpfung.

Aus der Einleitung, S. 14:

Wir sollten uns mit dem Bauernkrieg beschäftigen, weil wir heute vor ähnlichen Herausforderungen stehen wie jenen, die sich den Bauern damals stellten: Wie schützt man die Ressourcen der Erdezum Nutzen aller? Wie geht man mit einer Welt um, in der wenige sich bereichern und die Ressourcen monopolisieren? Wie lassen sich Wirtschaftsbeziehungen organisieren, damit sie nicht nur von Gier beherrscht werden? Wir mögen nicht damit einverstanden sein, wenn die Antwort lautet, wir sollten gemäss 'Gottes Wort und christlich' leben. Doch ins Europa des 16. Jahrhunderts und ind ie Frühzeit des Kapitalismus zurückzukehren, als die Entdeckung neuer Welten und deren Ausbeutung begann, ist ein guter Ausgangspunkt, um über neue Antworten nachzudenken. Die Bauern hatten eine Vorstellung davon, wie die Umwelt und die Beziehungen zwischen Menschen neu gestaltet werden können.

Die Vision, die sie antrieb, handelte von der Beziehung des Menschen zur Schöpfung, und deshalb sind sie heute noch von Bedeutung. Die Menschen waren wütend darüber, dass die Grundherren das Eigentum an den natürlichen Ressourcen, dem Wasser, dem Gemeindeland, den Wäldern und Forsten für sich beanspruchten, obwohl diese zu Gottes Schöpfung und damit allen Menschen gehörten. Sie waren wütend darüber, dass die Herren ihnen ihre ,Freiheit' gestohlen hatten und beanspruchten, sie zu besitzen. Doch Christus hatte, wie Luther zeigte, uns alle mit seinem kostbaren Blut freigekauft: ,Deshalb ergibt sich aus der Schrift, dass wir frei sind un sein wollen.' Sie waren empört über die wachsende Ungelichheit, die sie um sich herum sahen, in der einzelne Individuem wie die Fugger, die reichsten Kaufleute der Welt, Reichtum in nie gekanntem Ausmass anhäuften. Sie wollten, dass die Menschen als Brüder leben, in gegenseitiger Verpflichtung, und nicht als Herren und Leibeigene. Sie wollten, dass Entscheidungen kollektiv getroffen würden. Es war ein unverholhlen männliches Ideal, das durch den Zusammenhalt unter den kämpfenden Bauern genährt wurde, was jedoch nicht bedeutet, dass Frauen es nicht auch unterstützten.

Während ich das schreibe, sehe ich auf dem Bildschirm die Nachricht, dass Lee Zeldin, der Chef der US-Umweltbehörde der Trump Regierung, erklärt: ,Wir stoßen der Klimawandel-Religion einen Dolch ins Herz und läuten Amerikas goldenes Zeitalter ein.' Es sollen Dutzende Umwelt- und Klimamassnahmen der letzten Jahre wieder zurückgenommen werden, damit höhere Treibhausgasemissionen für Kraftwerke, mehr Abgase bei Autos und größere Fördermengen für Öl- und Gaskonzerne wieder möglich sind.

Philipp Roth 
  
philipp.roth@kgbb.ch

 


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